Slow Food Fleischtest: Einmal Kotelett, bitte!

Koteletts »(von französisch côtelette für „Rippchen“ aus französisch côte, bzw. lateinisch costa für „Seite, Rippe“), Rippchen oder Karrees sind Scheiben aus dem Rippenstück (auch Karree, Rücken oder Kotelettstrang genannt) mit Knochen. Das Rippenstück befindet sich beiderseits der Wirbelsäule hinter dem Nacken. Koteletts werden vom Schwein, Kalb und Lamm angeboten, seltener vom Rind. Sie werden meist gebraten oder gegrillt, können aber auch paniert werden wie z. B. Costoletta alla milanese…«  Soweit erzählen es uns einschlägige Kochbücher und Lexika.

Doch wir wollten es genauer wissen.  Wie war das gleich nochmal mit der Massentierhaltung? (siehe FAZ Artikel ) Dem Fleischskandal? (siehe SZ Artikel) Woran erkennt man gutes Fleisch? (Buchtipp hier)  Vor allem aber: Muss man jedes Mal ein kleines Vermögen ausgeben, nur weil es mangels Alternativen gleich eine Hochrippe vom Simmentaler Rind (trocken gereift) aus dem Gourmetversand sein soll? Gibt es denn keine Alternativen in der Region?

Einkauf
Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, war Basisarbeit angesagt: Also raus in die Supermärkte und Metzgereien und ran an die Fleischtheke. „Einmal Kotelett, bitte“ hieß es fortan und schon begannen wir zu lernen. Die Fleischfachverkäuferinnen in Supermärkten scheinen bei Kotelettes nämlich nur eine Rasse zu kennen, das Schwein. Alternativen wie Kalb, Rind oder Lamm bekamen wir jedenfalls unaufgefordert nur in einigen Metzgereien angeboten. Vollends verstört schauten uns die Supermarkt-Damen an, sobald wir sie nach der genauen Herkunft der Tiere fragten: „Aus Deutschland, natürlich“ war noch die überzeugendste Antwort. Andere hingegen zuckten mit den Schultern, witzelten „na vom Bauernhof, wahrscheinlich“ oder riefen gleich nach dem Abteilungsleiter. Fazit unserer Aktion: In 14 Rewe und Edeka Märkten mit Frischfleisch-Theke wurde uns fürs Kotelett kein einziger regionaler Erzeugerbetrieb als Lieferant genannt! Selbstverständlich garantierten uns die Abteilungsleiter stets  eine lückenlose Dokumentation des Schlachtviehs mit allen vorgeschriebenen Zertifikaten. Aber darum ging es uns ja gar nicht. Wir wollten kein korrekt zertifiziertes und dokumentiertes Schwein aus dem Massenbetrieb, sondern eins vom Bauernhof, das artgerecht gezüchtet wurde.

Deutlich erfreulicher sah das Ergebnis bei den Metzgereien aus. Fünf von neun getesteten Unternehmen hatten zumindest einen regionalen Lieferanten, zwei weitere konnten zumindest einen benennen und uns auf Wunsch etwas besorgen. Schweinefleisch in Premium Qualität (z.B. Iberico oder Schwäbisch-Hällisches) hatten allerdings nur zwei Metzgereien im Angebot. „So etwas exotisches ist bei uns nicht gefragt“, erklärte mir einer der Metzger. Und ein anderer: „Schwäbisch-Hällisches ist viel zu teuer – das kaufen meine Kunden nicht“.

Unser Eindruck nach der Shopping-Tour: Die Schuld liegt nicht allein bei den Anbietern, sondern vor allem bei den Verbrauchern. Weil die hauptsächlich auf den Preis achten, und nicht auf die Qualität. Weil kaum eine Hausfrau nach einer bestimmten Rasse oder Qualität verlangt. Und weil die wenigsten Hobbyköche sich nach der genauen Herkunft erkundigen. Dazu fehlt einfach das Wissen und wohl auch der Anspruch. Rind ist teuer, Schwein ist billig und gut is…

Aussehen
Haben Sie schon einmal ein Kotelett vom verkümmerten Massenschwein aus der Fabrik neben eins vom Bauernhof gelegt? Wahrscheinlich nicht. Der Unterschied könnte nicht deutlicher sein!

Auf unserem Foto sehen Sie ein gewöhnliches Thekenschwein neben einem Schwäbisch-Hällischem. Um einen unmittelbaren Vergleich über das Angebot zu haben, hatten wir uns jeweils das größte Kotelett aus der Vitrine geben lassen; die Anweisung lautete stets identisch: „Geben Sie mir bitte das beste und größte Stück Kotelett, dass Sie haben“.  Achten Sie vor allem auf die Unterschiede beim Knochenbau, auf die Maserung und auf die Fleischfarbe. Ansonsten gilt: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!

Zubereitung
Beide Koteletts haben wir identisch „nature“ zubereitet. Eine schwere Eisenpfanne wurde mit etwas Biskin und Butter hoch erhitzt und danach das Fleisch von beiden Seiten scharf angebraten. Sobald das Fleisch eine  karamellbraune Farbe angenommen hatte, wurde die Hitze reduziert und von jeder Seite zwei Minuten weitergebraten. Danach kamen die Koteletts in einen mäßig warmen (50 Grad) Ofen und konnten auf einem Gitter 20 Minuten  ruhen (nicht im Saft!). Am Ende wurden sie nochmals kurz in heiße, aufschäumende Butter mit Rosmarin, Thymian und Knoblauch gelegt, gewendet, gesalzen, gepfeffert und dann serviert. Dazu gab es Pellkartoffeln und Calvados-Schalotten. (Bei dem kleineren Stück wurden die Zeiten entsprechend reduziert, weil es ansonsten zu durch gewesen wäre).

Wir wissen nicht, wie viele Antibiotika, Medikamente und Wachstumsförderer in dem armen Schwein aus der Massentierhaltung waren. Auffällig war vor allem, wie stark das Fett nach einer Minute durch das eingelagerte Wasser spritzte und wie rasant das Fleisch an Größe verlor. Es schrumpfte regelrecht in der Pfanne. Das Landschwein aus artgerechter Haltung war saftig, kräftig im Geschmack  und man konnte deutlich die unterschiedlichen Fleischpartien herausschmecken; das andere Fleisch war deutlich zäher, leicht gummihaft, an manchen Stellen trocken im Biss und hatte vor allem den Geschmack der Fette und Gewürze angenommen. Ein charakteristischer Eigengeschmack war nicht festzustellen; eigentlich schmeckte es nach nichts.

Fazit
Wer sein Kotelett im Supermarkt kauft, darf keine hohen Erwartungen haben. Bei dem Fleisch kann man eigentlich nur noch zum Vegetarier werden. Aber in unserer Region sind viele gute Metzgereien und Höfe zu finden. Neben der bekannten Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall gibt es einige Bauern (und es werden immer mehr), die ihre Tiere artgerecht halten und ordentlich füttern, d.h. ohne gentechnisch veränderte Futtermittel und ohne Wachstumsförderer oder Antibiotika. Die Tiere haben viel Auslauf, leben in hellen, luftigen Ställen oder im Freien. Unsere Empfehlung: Fragen Sie ihren Metzger nach der Herkunft des Fleisches, fordern Sie hochwertige und schmackhafte Produkte aus der Region und geben Sie ihm, wenn nötig ein paar Adressen und Anlaufstellen, wo er solches Fleisch beziehen kann. Wir als mündige Konsumenten haben großen Einfluss auf das, was uns im Handel angeboten wird. Wenn sich unser Anspruch und Kaufverhalten ändert, ändert sich auch das Angebot!

Slow Food Linktipps

Lesetipp
Artikel über Schweinefleisch aus dem Slow Food Magazin 1.2010

Bezugsquellen Fleisch / Produktionsbetriebe:
Rind- und Schweinefleisch: Schwäbisch-Hällisches Qualitätsschweinefleisch
Schweinefleisch:  Bauernladen Schwab, Hockenheim – Siegelhain
Rindfleisch: Rinder- & Limousinhof Fam. Kästel, Bad Schönborn
Ziegen und Schaffleisch: Nusslocher Schafhof

Empfehlenswerte Metzgereien in der Metropolregion Rhein-Neckar:
Metzgerei Bückle, Kleingemünder Straße, 69118 Heidelberg Ziegelhausen
Metzgerei Wagner, Speyerer Straße 21, 68789 St. Leon-Rot
Metzgerei Rene Ohr, Karlsruher Str. 36 74889 Sinsheim

Gourmetversand für Fleisch:
Gourmetfleisch
Otto Gourmet

Filme zum Thema:
We feed the World
Unser täglich Brot

7 Kommentare

Eingeordnet unter Kulinarisches, Wissen & Genuss, Wo wir gerne einkaufen

7 Antworten zu “Slow Food Fleischtest: Einmal Kotelett, bitte!

  1. Uli Kohnle

    Hallo,
    da bekommt man Appetit! Als ultimatives Referenzkotelett kann man nur noch das Stück vom Eichelschwein daneben legen. Das verhält sich zum SH wie das Supermarktkotelett zum SH.

    Schöne Seite übrigens!!

    gruß aus der Pfalz

  2. Gisela

    …das hört sich ja toll an!!
    …und wo kann man Eichelschwein erstehen?
    Ich habe gegoogelt, aber nur eine Adresse in Bayern gefunden, die Frischfleisch aber erst wieder im November 2010 liefert.(www.eichelschwein.de)

  3. Uli Kohnle

    Hallo Gisela,

    Ja so ist es!

    Die Eichelschweinmacher kann man auch in Stuttgart auf der Slow Food Messe antreffen. Dort haben sie verschiedene Wurstwaren und einen exzellenten Speck dabei.

  4. Don Alejandro

    Eichelschwein GmbH
    Obere Hauptstraße 29
    85354 Freising

    http://www.eichelschwein.de

  5. Frisches Schweinefleisch (und vieles mehr) liefern auch die Genusshandwerker jede Woche ins Haus. Sei es Bio-Molkeschwein aus dem Schwarzwald oder Spanferkel aus Schwäbisch-Hall.

  6. Pingback: Koteletts, die keine Koteletts sein dürfen !!! | Culture Food Blog – ein kulinarisches Tagebuch für Gourmets

  7. Pingback: Löffel: Kotelett vom Eichelschwein, nicht EU-konform! | Löffellöffelchen.

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